Ich habe ein weiteres,
wichtiges Etappenziel in meinem Leben erreicht, so dass es nun an der Zeit zu
sein scheint, einmal innezuhalten und auf die letzten Jahre zurückzublicken.
Es begann ganz
harmlos
Einer der -- wie sich
später herausstellte -- wichtigsten Tage
in meinem Leben verlief ganz
unspektakulär und endete wie so viele davor und danach vor dem Fernseher. Es
war der 25. April 2006, ein Dienstag, und damit bot sich das TV-Programm des
WDR mit der Sendung „Quarks & Co.“ an. Das Thema lautete: Autismus.
Der Bericht traf mich völlig unvorbereitet. Ich hatte
mehrfach spontan das Gefühl: „Reden die über mich?!“ Viele der geschilderten
Eigenheiten und Einschränkungen kannte ich gut, denn mir ging es ja Zeit meines
Lebens nicht anders. Nun gut, ich kannte zwar bei meiner Ernährung keine
Fixierung auf Kohlprodukte; aber andere Dinge wie Einschränkungen bei sozialen
Kontakten oder stark ausgeprägte Spezialinteressen dagegen sind mir sehr
vertraut.
Schon am Tag darauf begann ich, intensiv im Internet zu recherchieren,
und es dauerte nicht lange, bis ich einschlägige Themenforen fand, in denen
ausführlich diskutiert wurde. Bald darauf lernte ich auch einige Menschen
persönlich kennen, die sich genauso wie ich im autistischen Spektrum
wiedererkannten.
Ein erster Versuch
Naiv wie ich damals war, glaubte ich, mit dieser meiner
persönlichen Gewissheit auch einen Fachmann überzeugen zu können. Dieser
Versuch im Juli 2006 geriet zum Fiasko: Innerhalb einer Sitzung machte mir
dieser Facharzt klar, warum nicht sein könne, was nicht sein darf. Ich hätte –
wenn es denn so wäre – besondere Auffälligkeiten bereits im frühesten
Kindesalter zeigen müssen. Bei Kindern und Jugendlichen kommt das Asperger
Syndrom vor; bei Erwachsenen nicht. Punktum.

Im Februar 2007 wagte ich einen erneuten Versuch und wandte
mich an einen anderen Fachmann. Welch ein Unterschied: Man nahm mich und mein
Problem ernst, es wurden psychologische Tests durchgeführt und es lag sehr bald
ein Ergebnis „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ vor. Erneut brach
meine Naivität durch, und ich stellte mit diesem Ergebnis bewaffnet einen
Antrag beim zuständigen Landesamt für
Soziale Dienste (LAsD). Das Ergebnis: Ein Grad der Behinderung (GdB) von 20
wird festgestellt.
Vereinsmeierei
Zu diesem Zeitpunkt
gab es einen noch jungen Verein, der in Ermangelung von Unterstützern und
Mitarbeitern kurz vor dem Ende stand. Zuspruch von mehreren Seiten gab mir den
Mut, mich für die Aufgabe zur Verfügung zu stellen, und so wurde ich 2008 in
den Vereinsvorstand gewählt.

Noch ein Anlauf
Während alle diese Dinge sich entwickeln, gab ich selbst die Hoffnung nicht auf und
suchte einen weiteren Fachmann auf (ja,
noch einen). Erneut stand auch diesmal sehr schnell ein klares Ergebnis fest.
Im Januar 2009 stellte ich also erneut einen Antrag. Dieses Mal kam man zu dem
Ergebnis, mir einen GdB von 40 zuzuerkennen. -- Knapp am Ziel vorbei vorbeigeschrammt. Also versuchte ich, mit Hilfe des
Sozialverbandes Deutschland (SoVD)
dagegen anzugehen. Es kam zum
gerichtlichen Verfahren, in dem ein Gutachter beauftragt wurde. Er kam im März
2010 u.a. zu dem Ergebnis: Das Asperger Syndrom im Erwachsenenalter sei in der
ICD-10 (Auflage 2008) „nicht aufgeführt“. Der SoVD legt mir nahe, die Klage
zurückzunehmen. Es bleibt also alles so,
wie es ist.
Das Leben wird aber dadurch nicht gerade leichter. Die
Probleme, die ich gelernt hatte zu erkennen, wuchsen mir langsam aber sicher
über den Kopf. Nachdem ich feststellen musste, dass auch die wenigen
sozialen Kontakte, die ich während
meiner Tätigkeit im Verein und in der Selbsthilfegruppe knüpfen konnte, mehr
und mehr einzuschlafen drohten, versuchte ich es im November 2012 mit einer regelrechten Psychotherapie. Diese
Therapie kam aber über die 5 probatorischen Sitzungen nicht hinaus, denn es
konnte kein „gemeinsamer Nenner“ gefunden werden.
Tempus fugit
Was bleibt zu tun, wenn man das Gefühl hat, die Probleme
werden immer größer, aber es ist keine Lösung in Sicht?! Nachdem ich meine
Vereinstätigkeit eingestellt hatte und auch die Treffen der Selbsthilfegruppe
für mich scheinbar keinen Sinn mehr ergaben, machte ich den mir einzig logisch
erscheinenden Schritt und wagte im März 2014 noch ein weiteres Mal einen
therapeutischen Neuanfang. Für mich schloss sich dabei ein Kreis, ich war an
derselben Stelle, die ich auch beim ersten Mal aufgesucht hatte; aber es war
eine andere Ärztin. Diesmal aber begann ich das Gespräch mit einer klaren
Vorgabe, nämlich dem Wunsch nach einer gesicherten Diagnose und mit zwei
Fragen: Trifft es zu, dass bei mir das Asperger Syndrom vorliegt; wenn aber
nicht, was ist es dann?

Dem musste sich auch das LAsD anschließen. Dort kam man
recht schnell, nämlich schon im Juni 2014, zu dem Ergebnis: Ein GdB von 50 wird festgestellt.
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