Montag, 2. Dezember 2013

Der Mechanismus des Alls

"Ich habe irgendwo sagen hören, daß man vom Himmel aus den Mechanismus des Alls in seiner Vollkommenheit werde schauen können. Jene Sterne, die jetzt das Firmament in so bunter Wirre besäen, würden dann in ihrer ganzen Regelmäßigkeit als Welten erscheinen, kreisend in ihren verschiedenen Systemen, in deren Mittelpunkt Sonnen Licht und Wärme spenden; Alles erscheine dann in schön harmonischem Einklange und rolle froh dahin in der zugewiesenen Bahn, dem Geheiße des Allmächtigem gehorsam. Das Ganze sei ein ungeheurer, unsern Sinnen nicht faßbarer Mechanismus, vollkommen in seinen Theilen und wunderbar in seiner Gesammtheit. Ich will es nicht bezweifeln, denn die Annahme ist nur vernünftig. Er, der diese Welt und Alles darauf geschaffen hat, kennt keine Grenze für seine Macht.

Ich bin begierig, ob ich je dies schauen werde."
 
Frederick Marryat (1792-1848)

Samstag, 24. August 2013

Charakter

"Wenn wir in dieses seltsame Leben geboren werden, bekommen wir zweierlei mit, die väterlichen und die mütterlichen Ahnenreihen und das Milieu. 

Man muß dabei Milieu im weitesten Sinne verstehen, von den körperlichen Eigentümlichkeiten bis zum Gehalt des Vaters, von der guten oder schlechten Ehe der Eltern bis zur wirtschaftlichen und politischen Struktur des Landes und der ganzen Welt, von der Klimazone, in der man sich entwickeln muß, bis zu den Geschwistern und Schulkameraden. Das alles gehört zum Milieu, womit aber nun keineswegs gesagt sein muß, daß der junge Mensch einfach ein Produkt von Ahnenreihen und Milieu ist. 

Im Gegenteil, es ist sehr unwahrscheinlich, daß auch nur zwei junge Menschen auf der ganzen Welt mit diesen Gegebenheiten genau dasselbe anfangen würden. Gerade das aber - die Art und Weise, wie man mit Erbanlagen und Umwelt fertig wird, was man daraus macht - ist der Charakter. 

Ebenso kann man es Persönlichkeit nennen. "

Aus: "Zwei Töchter auf Pump" von Hans G. Bentz (1902-1968)

Samstag, 15. Juni 2013

Fachleute … verzweifelt gesucht



Unter diese Überschrift – in Anlehnung an den Titel einerUS-Filmkomödie – möchte ich folgenden Beitrag setzen. Wenn ich einen Wunsch frei hätte, so würde ich mir wünschen, eine Person zu finden, auf die folgende Beschreibung passt, welche  ich einfach mal gedanklich in die Form eines Stellenangebotes gepresst habe


Gesucht wird:   ein( e) Mediziner( in). Alter egal, im Raum Schleswig-Holstein ansässig.

Einzige Bedingung zu Vorkenntnissen: Die Arbeiten von Hans Asperger, Lorna Wing, Tony Attwood und anderen  müssen gelesen – und inhaltlich verstanden worden sein.

Profil: Ein Stellenbewerber (m/w) sollte in der Lage sein, auch und vor allem bei Personen, die bereits das Erwachsenenalter erreicht haben, anhand einer seriösen Differentialdiagnostik das Vorhandensein einer autistischen Störung im Sinne eines Asperger-Syndroms bestätigen – oder ausschließen zu können.

Dazu wird es von Fall zu Fall erforderlich sein, bereits vorhandene medizinische Unterlagen auswerten und für eine tiefergehende Diagnostik verwenden zu können – oder aber diese im Fall einer zu befürchtenden Fehldiagnose auch einmal komplett zu ignorieren und eine neue Diagnostik „von Null an“  aufzubauen. Dies voneinander zu unterscheiden wird im Einzelfall schwierig sein, denn es wird Patienten geben, die bereits eine lange Odyssee hinter sich haben und von Arzt zu Arzt weitergereicht wurden; andere aber, die zeit ihres Lebens unauffällig waren, haben bisher noch keinerlei Arztkontakt gehabt. Es ist aber durchaus nicht auszuschließen, dass die Symptome bei beiden dieselben sind und daher zu derselben Diagnose führen müssten. In jedem Fall aber kommt es darauf an, die richtigen Fragen zu stellen und durch ausführliche Gespräche zu einer möglichst gesicherten Abgrenzung zu anderen psychischen / psychosomatischen Beschwerden zu gelangen. Dabei darf nicht vergessen werden: Patienten mit einem solchen Diagnoseverdacht mögen irritiert sein, sie mögen eigenbrötlerisch sein und gelten oft als Außenseiter der Gesellschaft – aber sie sind nicht dumm. Daher muss man davon ausgehen, dass sie bereits vor dem Erstkontakt zum Therapeuten sich ausführlich mit der Materie befasst und sich in die öffentlich verfügbaren Texte eingelesen, vielleicht auch schon den einen oder anderen Selbsttest im Internet absolviert oder eine Selbsthilfegruppe (SHG) besucht haben und daher zumindest einen „begründeten Selbstverdacht“ mitbringen.

Es wird weiterhin erwartet, dass der / die Stellenbewerber( in) den Umgang mit technischen Hilfsmitteln (Internet, E-Mail, SMS usw. ) sicher beherrscht. Es ist mittlerweile in einschlägigen Kreisen bekannt, dass Aspies bzw. Verdacht-Aspies dazu neigen, solche modernen Kommunikationsmittel intensiv zu nutzen, teilweise als Ersatz bzw. Ausgleich für das (ungern genutzte, oft verhasste) Telefon. Eine Möglichkeit der Erst-Kontaktaufnahme per E-Mail oder über ein Kontaktformular auf einer Internetseite wird hingegen gern genutzt. Nach erst einmal erfolgter Kontaktaufnahme ist eine spätere weitere Kommunikation per Telefon aber keineswegs ausgeschlossen.

Wichtig dabei ist aber immer, Terminabsprachen konkret zu planen und vereinbarte Termine auch auf jeden Fall unbedingt verbindlich einzuhalten. Der Weg bis hierhin ist für den Patienten in jedem Fall von Anfang an mit einer großen Überwindung verbunden und stellt eine Abweichung von dem selbst gewählten Tagesablauf, somit eine hohe Belastung dar. Die Planung eines solchen Termins muss gedanklich in den Tagesablauf integriert werden, die An- und Abreise will geplant sein und natürlich sorgt der Gesprächstermin selbst auch für einige sorgenvolle Gedanken. In einer solchen Situation ist es hilfreich, wenn der Termin möglichst exakt festgelegt werden kann (ohne lange  Leerlaufzeiten in einem Wartezimmer, womöglich mit anderen Patienten). Notwendige Terminänderungen, z.B. einem Krankheitsfall, sollten so früh wie nur irgend möglich mitgeteilt werden (siehe moderne Kommunikationsmittel).

Was wird geboten?   Bei vorliegender Eignung des Bewerbers kann dieser davon ausgehen, dass es im gesamten norddeutschen Raum zu einem regelmäßigen Zustrom von Patienten kommen wird, denn die Zahl der Verdacht-Aspies wird nicht geringer, sondern nimmt ständig zu. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht irgendjemand eine Dokumentation im Fernsehen sieht, einen Artikel in einer Tageszeitung liest oder auch nur das Outing seines Lieblingsschauspielers vernimmt, sich darin selbst wiedererkennt  -  und kurz darauf findet dieser Mensch sich in einem der einschlägigen Internet-Themenforen wieder mit dem Satz „bin auch ich betroffen?“ Früher oder später gelangt er zu der Selbsteinsicht – oder wird mehr oder weniger sanft darauf hingewiesen: „Geh zu einem Spezialisten und lass dich diagnostizieren!“ Solch einen Spezialisten zu finden wird aber zu der sprichwörtlichen Suche nach der Nadel im Heuhaufen.

Adressen von spezialisierten Fachleuten sowie von Therapiezentren und Autismus-Ambulanzen werden zuhauf im Internet ausgetauscht. Leider aber sind sie noch viel zu selten – und daher sehr häufig völlig überlastet. Das führt dazu, dass z.B. Patienten aus dem Raum Schleswig-Holstein auch schon mal an eine Adresse in Köln verwiesen werden. Anderen werden Wartezeiten von mehreren Monaten in Aussicht gestellt, oder es wird gar eine Behandlung wegen Terminüberlastung gänzlich abgelehnt. Dies ist natürlich für den Patienten weder hilfreich noch tröstlich. Ein Ausweichen zu einem Therapeuten, der nicht ausdrücklich auf die Diagnostizierung von  Menschen im autistischen Spektrum spezialisiert ist, kann aber zu einer Fehldiagnose führen – und damit zum Beginn einer weiteren medizinischen Odyssee (siehe oben). Wird nun in diesen Kreisen eine neue Anschrift eines Therapeuten weitergegeben und womöglich auch mit ersten positiven Resonanzen verbunden, so ist ein Zulauf neuer Patienten beinahe „ganz von selbst“ zu erwarten.

Was wird benötigt?     Der materielle Bedarf ist eher gering. Neben der üblichen Büroausstattung (siehe moderne Kommunikationsmittel) wäre lediglich ein barrierefreies, möglichst ruhiges Beratungszimmer nötig, in dem ein Erstgespräch in entspannter Atmosphäre stattfinden kann. Die Ausstattung dieses Zimmers kann nicht nur, sondern sollte sogar möglichst schlicht gehalten sein, um eine drohende Reizüberflutung (Overload) des Patienten auszuschließen.

Zukunftsperspektiven:    Um es nochmals zu wiederholen: es geht dabei nicht um eine Der-schreibt-jeden-krank-Wunschdiagnostik, und es geht auch nicht darum, irgendeine elitäre neue Behandlungsmethode oder gar Medikamentierung zu finden. Es geht zunächst lediglich darum, eine gesicherte Diagnose zu erhalten, diese zu bestätigen - oder aber ggf. auch ebenso sicher ausschließen zu können.

Ist dies erst einmal gewährleistet, dann kann man sich – gemeinsam im Arzt-Patient-Kontakt – darüber Gedanken machen, was dies für Auswirkungen im Leben des Patienten hat, welche Hilfestellungen im privaten und / oder beruflichen Umfeld möglich, welche Veränderungen nötig und machbar sind, ob sich daraus letzten Endes eine Schwerbehinderung im gesetzlichen Sinne ergibt und was das bedeutet …  

Dies lässt natürlich auf weitere, fruchtbare Kontakte zwischen Arzt und Patient schließen. Für den Patienten steht eine echte Hilfe für seine Lebensgestaltung in Aussicht, für den Arzt ist ein langfristig gesichertes Einkommen durchaus nicht ausgeschlossen. - - Langfristig wäre es auch denkbar (und auch im Sinne der Betroffenen wünschenswert), auf dem Gebiet der Autismus-Diagnose für Erwachsene  Feldforschung zu betreiben. Hier gilt es festzustellen, ob und wie viele Personen es gibt, bei denen diese Symptome vorliegen, denen es aber durch geschickte Kompensation oderVermeidungshaltung gelingt, ihren Problemen aus dem Weg zu gehen; ebenso, wie viele es gibt, die durch Falscheinschätzung zu einer Fehldiagnose gelangten und die daher womöglich auf lange Zeit falsch therapiert oder medikamentiert werden.  -


Soviel zu meinem Wunschtraum. Ob er eines Tages Realität wird?!

Samstag, 11. Mai 2013

"Damit das Böse triumphieren kann, ist es nur notwendig, dass die Guten untätig bleiben."

Edmund Burke (1729-1797)

Mittwoch, 1. Mai 2013

Die vergessene Generation



Ein Stichwort, das heute anscheinend in aller Munde ist, lautet „Autismus“. Seit dem Kinofilm „Rain Man“ (der eigentlich nur bedingt etwas damit zu tun hatte) wird viel über das autistische Spektrum gesagt und geschrieben. Einiges davon ist sogar zutreffend.

Die Problematik als solche ist aber nicht neu. Bereits 1944 beschrieb der österreichische Kinderarzt Hans Asperger die  „Autistischen Psychopathen im Kindesalter“.  Diese Schrift geriet allerdings für lange Zeit in Vergessenheit. Erst in den achtziger und neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurde diese Thematik wiederentdeckt, aufgegriffen und die Forschung fortgesetzt. 

Das bedeutet aber keineswegs, dass es in der Zwischenzeit keine von dieser Symptomatik betroffenen Menschen gegeben hat! Das Fehlen eines Beweises ist kein Beweis für das Fehlen; das bedeutet in diesem Fall: nur weil in den fünfziger bis siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts niemand etwas von dieser Symptomatik wußte, heißt das nicht, dass es in dieser Zeit auch keine autistischen Kinder gab.

In der heutigen Zeit, in der diese Thematik ausführlich – und teilweise mehr, als es hilfreich wäre – veröffentlicht und jedermann zugänglich ist, werden Kinder und Jugendliche sehr viel intensiver beobachtet. Zum einen sind z.B. die Schulklassen viel kleiner als sie es früher einmal waren, zum anderen sind Betreuer, Lehrer, Pädagogen und auch Therapeuten besser geschult, so dass Auffälligkeiten jeder Form sehr viel schneller erkannt werden, als dies früher der Fall war. Außerdem muß man aber auch feststellen, dass es die Gesellschaft ist, die heute durch ständigen Anpassungs- und Leistungsdruck mehr vom einzelnen Individuum erwartet und in der „auffällige“ Personen schneller erkannt und unter Umständen ausgegrenzt werden. 

Es scheint also Fluch und Segen zugleich zu sein, wenn man das Glück  hatte, in der Zeit  - grob geschätzt  - ca. zwischen 1950 und 1970 geboren worden zu sein. Nicht nur für mich selbst kann ich dies behaupten, sondern ich habe auch im persönlichen Gespräch mit anderen Menschen bestätigt bekommen: Eine Kindheit in dieser Zeit war in mancher Hinsicht irgendwie  -  einfacher. Ungewöhnliche Verhaltensweisen wurden toleriert oder mit mehr oder weniger zutreffenden Spitznamen („Kleiner Professor“, „Stubenhocker“, „Leseratte“, Schlauberger“) abgetan. Im Schulunterricht war es noch einfacher, in der Gruppe unterzutauchen (40 Schüler in einer Klasse waren keine Seltenheit). Motorische Schwierigkeiten ergaben schlimmstenfalls eine schlechte Note im Sportunterricht.

So kannte man sich also mit etwas Glück durch die Kindheit hindurchschummeln, erreichte das Erwachsenenalter – und damit den Eintritt in die Arbeitswelt. Wenn man weiterhin Glück hatte, konnte man - nach dem Prinzip „Versuch und Irrtum“ – seine in der Kindheit erworbenen Fähigkeiten nutzen und umsetzen. Der Umgang mit Arbeitskollegen und mit Vorgesetzten ähnelt in manchen Dingen durchaus ja der Rangordnung auf einem durchschnittlichen Spielplatz …

Wer weniger Glück hatte, fiel am Arbeitsplatz sofort unangenehm auf, weil der bisher geschützte Rahmen des Freundeskreises und des eigenen Elternhauses wegfiel. Besonderheiten, die bisher  als liebenswerte Schrullen belächelt wurden, sind nun plötzlich inakzeptabel. Probleme, den Blickontakt zu halten, werden als unhöflich bezeichnet. Der Wunsch, in der Mittagspause allein zu bleiben, stößt auf Unverständnis. Die Teilnahme an Geburtstags-  oder Weihnachtsfeiern wird zum Zwang ...  und vieles andere mehr.

Wer diesem psychologischen Druck nicht standhält, der wird früher oder später Hilfe bei einem Therapeuten suchen. Und hier schließt sich dann der Kreis: Da die Diagnosestellung  in den Kindheitsjahren nicht bekannt war, wird sie dem erwachsenen Patienten auch nicht mehr zuerkannt. Klare Richtlinie ist: Autismus wird bei Kindern und Jugendlichen diagnostiziert. Wer erwachsen ist und diese Diagnose nicht hat, der ist auch kein Autist. Punktum. –

Was aber ist mit dieser kleinen Gruppe von Betroffenen, die – wie gesagt – in einer Zeit heranwuchsen, in der diese Diagnose schlicht noch kein Thema war,  die nun aber in ein Alter kommen, in dem die persönlichen Probleme immer heftiger werden und der Leidensdruck des Einzelnen so stark wächst, dass er den Weg zum Therapeuten auf sich nimmt?

Dort angekommen, heißt es dann: „Autismus? Womöglich gar Asperger-Syndrom? – Nee.  Das gibt es nur für Kinder. Mal seh’n, was wir da sonst noch so haben. Wie wär’s mit Depressionen – das passt immer. Dann vielleicht noch soziale Phobie, Zwangsstörungen, repetetives Verhalten …?“  Selbst erworbenes Wissen des Patienten wird dabei erst recht nicht gern gesehen.

Es ist an der Zeit, dass sich jemand findet, der diese verlorene Gruppe von Patienten einmal richtig erforscht. Von einer „kleinen“ Gruppe kann  man dabei nicht einmal sprechen, denn die Dunkelziffer ist hoch. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht jemand durch Zufall  (oder durch den Hinweis eines wohlmeinenden Bekannten) auf das Stichwort stößt, danach googelt und sich sofort in der Thematik wiedererkennt. Nun ist dieses Wiedererkennen oft sehr emotional eingefärbt; auch Selbsttests im Internet sind nicht immer eindeutig. Hier sind gut geschulte Fachleute nötig, die dem Diagnoseverdacht zunächst einmal aufgeschlossen gegenüberstehen und diesen dann mit den richtigen Fragen und Untersuchungen bestätigen – oder ihn entkräften.  Wer aber schon im Erstgespräch die Worte hört „Autismus?! Aber Sie doch nicht. Sie können ja sprechen!“ , dem ist nicht wirklich geholfen.

Wenn – Falls - es also irgendwo da draußen junge, aufstrebende Mediziner gibt, die noch nach einem interessanten Wirkungsgebiet suchen: Hier ist es. Ansprechpartner finden sich zuhauf in jedem Internetforum zum Thema „Asperger-Syndrom im Erwachsenenalter“.

Samstag, 12. Januar 2013

Michael Ryan: "Ich habe Asperger - Ich bin wie du"

Michael Ryan, freier Mitarbeiter des Senders CNN und mit der Pflege der CNN-Homepage beauftragt, schreibt in einem Blog über sich und das Asperger-Syndrom
Hier die deutsche Übersetzung:

"Ich bin kein Experte für das Asperger-Syndrom. Aber ich bin ein Experte für mich selbst, und ich habe Asperger.

Und Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom mit Hyperaktivität. Und ein bisschen Zwangsstörungen. Alle diese drei Erkrankungen zusammen zu haben ist nicht ungewöhnlich, sagt mein Arzt.

Wie Du, werde ich manchmal wütend. Und, wie du, würde ich nie daran denken, solche Emotionen in Gewalt ausbrechen zu lassen.

Es gibt keine direkte Verbindung zwischen Gewalt und Autismus. Keine. Ich zerbreche keine Dinge. Ich schlage meine Hunde nicht. Ich benutze einen kleinen Tupperware-Behälter im Haus, um Insekten zu fangen, damit ich sie sicher nach draußen transportieren kann, bevor meine Katzen oder meine Frau sie sehen. Ich sage nichts Schlechtes über Jäger, aber ich könnte niemals andere Lebewesen töten. So etwas liegt mir einfach nicht.

Zum größten Teil bin ich genau wie du, nur ein bisschen schrullig. Na gut, eine ganze Menge schrullig.
Ich bin pedantisch. Normalerweise ist meine Mimik und Sprache ausdruckslos. Ich kann dir nicht in die Augen schauen. (Ich habe gelernt, den Menschen auf den Mund oder die Nase zu schauen.) Ich kann kein Gespräch von mehr als ein paar Worten mit dir führen, aber ich kann dir bis zum Überdruss Vorträge halten über US-Atombombentests, die Cleveland Browns, Beagles oder die japanische Gesellschaft.

Wenn Du mit mir sprichst und ich wegschaue, dann analysiere ich deine Worte und durchdenke verschiedene Szenarien, basierend auf deiner Frage oder Anweisung und bemühe mich dabei, dich zu verstehen. Bitte habe Geduld mit mir.

Weil ich stets eine Todesangst habe, jemanden zu beleidigen oder über etwas zu reden, das am Thema vorbeigeht, halte ich in Besprechungen oft meine Hand über meinen Mund, um mich selbst vom Sprechen abzuhalten. Zum Sprechen aufgefordert zu werden ist schierer Terror.
Und das sind nur einige meiner Merkwürdigkeiten. Dein Kind / Partner / Kollege mit Asperger hat einige ähnliche Besonderheiten. Das ist der Grund dafür, warum Kinder mit Asperger gemobbt werden.

Ich hatte Glück. Ich wurde nicht in der Schule gemobbt, weil ich nicht diagnostiziert war und daher nicht gebrandmarkt. Ich wurde nicht diagnostiziert, bis ich 50 war. Und wenn die Ärzte mich fragten, welche Art von Unterstützung ich mir wünschte, sagte ich keine. Ich hatte es so weit hinbekommen, also wollte ich lieber weiter auf meine eigene Weise daran arbeiten.

In der Tat, bis heute wissen die meisten meiner Kollegen und Freunde nicht, dass ich Asperger habe. So können "Aspies" erwachsen werden, Familien gründen, produktiv sein und einen Beitrag zur Gesellschaft leisten.

Ich will nicht behaupten, das folgende würde Dir durch das Leben helfen, und einige meiner Hinweise können für dich unzutreffend sein. Aber dies hat mir geholfen:

Finde einen "Mentor". Jemanden zu finden, nach dem ich mein soziales Verhalten kopieren konnte, hat mein Leben verändert. Er war ein Kollege und Freund, der aufgeschlossen, beliebt und wirklich nett war. Ich ahmte ihn seit Jahren nach, um dadurch zu lernen, wie man sich anderen Menschen nähert und wie man angemessen handelt. Ich habe es noch nicht ganz erreicht, aber ich fühle nicht mehr wie ein Ausgestoßener. Ich glaube nicht, dass er es jemals bemerkte. Danke, Scott.

Werde sportlich. Ja, ich weiß, du bist unkoordiniert, aber du kannst deine Koordination selbst trainieren. Ich verbrachte Jahre damit, einen Ball gegen die Garage zu werfen,  um eine Wurfbewegung zu entwickeln; ich erlernte die Fähigkeit, einen Ball zu fangen und schließlich traf ich den Ball. Als Schüler der fünften Klasse spielte ich auf der dritten Base in den Schulhof-Baseballspielen -- und ich wurde nicht mehr als letzter ausgewählt. Mein Selbstwertgefühl schnellte in die Höhe, und die toughen Kinder akzeptierten mich.

Schreibe. Nimm all diese Gedanken in deinem Kopf und schreibe sie auf Papier oder an einem Computer-Terminal nieder. Lies sie einen Tag, eine Woche, ein Jahr später. Zeige sie jemand, den Du vertrauen kannst. Ich wette, er oder sie denkt über viele Dinge genauso. Akzeptiere deine Besonderheiten und profitiere von deinen Stärken: Konzentrationsfähigkeit, überdurchschnittliche Intelligenz.

Lebe. Sei mutig, gehe ein wenig aus dir heraus. Du hast ein zwanghaftes Interesse an deinem Garten? Dann nutze es, um soziale Kontakte zu knüpfen, indem du Mitglied in einem Gärtnerverein wirst oder ehrenamtlich dabei hilfst, die Nachbarschaft herauszuputzen. Lerne ein wenig Selbstkontrolle, aber gehe vorwärts, auch wenn du dabei Fehler machst. Entschuldige dich und lache darüber. "Neurotypische" Menschen können sehr nachsichtig sein, wenn du ihnen die Chance dazu gibst. Mobber sind viel unsozialer, als Du es bist.

Wenn Du ein Elternteil eines Kindes mit Asperger bist, lasse dein Kind experimentieren. Das ist es nun mal, wie wir alle lernen. Er oder sie ist wahrscheinlich ziemlich intelligent. Lass dein Kind wissen, dass Du mit ihm zufrieden bist, wenn er oder sie gelernt hat zu sagen: "Ja, bitte" oder "Danke", wenn die Situation es verlangt. Wir können es nur immer wieder versuchen, sei also bitte geduldig."